Die Wasserfestung Ziegenhain
Die Wasserfestung Ziegenhain ist ein barocker Festungsbau im Schwalmstädter Stadtteil Ziegenhain im Schwalm-
Gründung
Treppenturm an der Ostseite des Herrenflügels. Der massiv gemauerte untere Teil stammt vermutlich noch von der mittelalterlichen Burg.
Um 950 wurde ein Bergfried errichtet. 1144 erbaute Graf Gottfried von Reichenbach-
Philipp Soldan schuf für die Südseite des Schlosses im 16. Jahrhundert ein Renaissancesteinrelief. Darüber hinaus werden ihm plastische Gestaltungen im Inneren des Schlosses zugeschrieben.
Festungsausbau, Reformation
1537 bis 1546 wurden unter Landgraf Philipp dem Großmütigen von Hessen die mittelalterliche Burg und Stadt nach Plänen des Festungsbaumeisters Hans Jakob von Ettlingen und des Baumeisters Balthasar von Germersheim zu einer strategischen Wasserfestung ausgebaut. Ein sechs Meter hoher Erdwall mit erhöhten Rondellen an den vier Ecken umgab nunmehr Schloss und Stadt. Diese wurden durch das 65 Meter breite, leicht abfallende Glacis getrennt. Hiermit wurde die Möglichkeit geschaffen, das umliegende Gelände mit dem Wasser der Schwalm zu fluten. Die Festung besaß nur einen einzigen Zugang über eine hölzerne Zugbrücke. In der Festungsanlage entstanden neben den Kasematten im Wall das Zeughaus, zwei Fruchthäuser, ein Brauhaus, das Archiv, Kasernen und eine Rossmühle. 1537 wurde Heinz von Lüder erster Kommandant der Festung. Erwähnt wird 1545 ein schweres Geschütz, genannt Der Mutz, eine Scharfmetze.
Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung
1539 wurde im Schloss Ziegenhain die „Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung“ beschlossen. Auf Einladung des Landgrafen Philipp des Großmütigen trafen sich hier hessische Theologen und die Reformatoren Adam Krafft und Martin Bucer und beschlossen unter dem Einfluss von Philipp Melanchthon, dass Kirchenälteste Mitverantwortung übernehmen, Jugendliche in christlicher Lehre mit abschließender Konfirmation in die christliche Gemeinde aufgenommen werden und Andersdenkende nicht verfolgt werden sollen. Gastfreundschaft und Bürgerdienste standen sowohl jüdischen wie auch konfessionslosen Bürgern zu. Damit wurde die Grundlage der evangelisch-
1542 erließ Landgraf Philipp den Burgfrieden für die Festung Ziegenhain. In seinem neu gefassten Testament vom 6. Oktober 1545 bestimmte er daraufhin seinen Söhnen … Heinzen von Luther (Heinz von Lüder) sollen sie zu Ziegenhain vor einen Hauptmann pleiben lassen …. Im Schmalkaldischen Krieg 1546-
Dreißigjähriger und Siebenjähriger Krieg
Von 1622 bis 1623 wurde die Festungsanlage durch die Errichtung von vier Ravelins zusätzlich verstärkt. Zudem wurde die Vorstadt Weichaus umwallt. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde die Festung zwar nicht eingenommen, doch fielen in der ersten Oktoberwoche 1631 bayrische und Tillysche Truppen in Weichaus ein, plünderten es aus und brannten es teilweise nieder. 1633 besuchte der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna die Festung.
Am 15. November 1640 wurde der kaiserliche General Johann Rudolf von Breda von dem Hauptmann der Ziegenhainer Bürgerschützen, Velten (Valentin) Muhly, im Gefecht am Riebelsdorfer Berg bei dem nahen Dorf Riebelsdorf erschossen. Historisches Zeugnis, so heißt es, ist das seither im Rathaus aufbewahrte sogenannte „Bredaschwert“. 1843 wurde bei Riebelsdorf das Velten-
Der Schafhof
wurde 1669 als militärlogistische Versorgungsbasis errichtet und als Depot genutzt.
Im Siebenjährigen Krieg wurde die nunmehr veraltete Festungsanlage französischen Truppen im Jahr 1758 kampflos übergeben; dadurch wurden größere Zerstörungen vermieden. 1761 wurde die Festung jedoch von hessischer Artillerie beschossen und nahm Schaden. Durch die Beschießung wurden in der Stadt 47 Häuser und die Tuchmanufaktur stark beschädigt.
Sammelstelle hessischer Subsidientruppen für den nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg
1769 wurden der Paradeplatz und die „Neue Wache“ errichtet. Von 1776 bis 1783 war der Paradeplatz Sammelplatz für die hessischen Subsidientruppen, die im nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 auf britischer Seite kämpften. Die Festung diente während dieser Zeit auf Anordnung von LandgrafFriedrich II. von Hessen-
Literarisch wird dies in Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus 1802“ verarbeitet. Der Theologiestudent wurde durch hessische Werber zum Militärdienst gezwungen, in Ziegenhain rekrutiert und nach Amerika eingeschifft. 1813 erschienen seine Erinnerungen an seine Zwangsverpflichtung in seiner posthum veröffentlichten Biographie Mein Leben.
Napoleonischer Krieg und Ende der militärischen Nutzung
1776 bis 1783 wurde ein neuer Festungseingang mit Brücke gebaut. Im November 1806 wurde die Festung auf Befehl des hessischen Kurfürsten Wilhelm I. der napoleonischen Armee kampflos übergeben und schließlich 1807 auf Befehl Napoleons geschleift. Die Kasematten wurden gesprengt und die Tore niedergelegt. Die Festung hatte durch die Entwicklung moderner Artillerie ihre Bedeutung verloren. 1819 wurde auf Drängen der Bevölkerung das neue Südtor errichtet. 1832 löste Kurfürst Wilhelm II. die Garnison der kurhessischen Armee auf. Der letzte Festungskommandant, Oberst von Harras, starb 1836 in Ziegenhain.
Nutzung als Justizvollzugsanstalt
Im Schloss Ziegenhain wurde 1842 ein Zwangsarbeitergefängnis mit Platz für 400 Häftlinge eingerichtet. Das hessische Staatsarchiv wurde 1857 von hier nach Marburg verlegt. 1882 wurde hier ein Frauengefängnis eingerichtet. 1905 zog der Deutsche Reichstag das hier stationierte Militärkommando zur Bewachung der königlichen Grafschaft Ziegenhain endgültig ab.
Heute ist die Wasserfestung Ziegenhain wesentlicher Bestandteil der Justizvollzugsanstalt (JVA) Schwalmstadt-
Im Jahr 1993 gelang ein spektakulärer Ausbruch eines Gefangenen mit einem Schützenpanzer der Bundeswehr. Der Gefangene Lothar Luft wurde jedoch wenige Monate nach seiner Flucht wieder aufgegriffen und inhaftiert. Er ist mittlerweile verstorben.